Chinesisches Horoskop

Der Legende nach soll Buddha – in manchen Überlieferungen ist es auch der sagenumwobene Jadekaiser Yu Di, welcher der Begründer der ersten chinesischen Dynastie gewesen sein soll – eines schönen Tages alle Tiere zu einem Fest eingeladen haben. Dieser Aufforderung folgten allerdings nur zwölf Tiere: Zu allererst kam die Ratte und nach und nach folgten Büffel, Tiger, Hase (bzw. Katze), Drache, Schlange, Pferd, Ziege, Affe, Hahn, Hund und zum Schluss das etwas behäbige Schwein.

Zur Belohnung für ihre Treue und Loyalität machte der Gastgeber jedem dieser zwölf Tiere ein Geschenk: In Zukunft sollte nach jedem von ihnen ein Jahr benannt werden: Der Ratte wurde das erste Jahr zugesprochen, dem Büffel das zweite und so weiter – dem Schwein wurde schließlich die Patenschaft für das zwölfte Jahr übertragen. Seit damals wiederholt sich dieser Zwölfjahresrhythmus im chinesischen Kalender. Damit aber nicht genug: Das ganze Jahr würde fürderhin mit all seinen Ereignissen unter dem Einfluss des regierenden Tieres stehen und die in dieser Zeit geborenen Menschen sollten dessen typische Wesenszüge erhalten.

Man mag zur Legende mit Buddha – oder Kaiser Yu Di – stehen, wie man will: Tatsache ist, dass es in der chinesischen Astrologie vor der Festlegung auf die zwölf Sternzeichen 27 Zeichen des Mondtierkreises gab, die wiederum auf 36 Bilder der Sternheerführer zurückgingen, denen angeblich ebenfalls schon jeweils ein Tier zugeordnet war. Die zwölf Tierkreiszeichen des Chinesischen Horoskops, wie wir es heute kennen, dürften sich also erst mit Anpassung des Mondjahres an unser Sonnenjahr entwickelt haben. Der französische Fabeldichter Lafontaine huldigte der Legende im 17. Jahrhundert jedenfalls mit den Worten, dass sie „sich der Tiere bediene, um die Menschen zu belehren“.

Wie dem auch sei: Der Zwölfjahresrhythmus bildet nicht nur die Grundlage des chinesischen Kalenders, sondern auch des Chinesischen Horoskops. Dieses misst darüber hinaus der Tageszeit eine besondere Bedeutung zu: So sollen die zwölf Stunden zwischen Mitternacht und Mittag einen wachsenden und jene zwischen Mittag und Mitternacht einen abnehmenden Charakter haben. Da der Tag für jedes Individuum günstige und ungünstige Stunden hat, spielt auch die Geburtsstunde eine nicht unerhebliche Rolle für jeden Menschen.

Vergleicht man das Chinesische Horoskop mit dem bei uns bekannteren westlichen oder abendländischen Horoskop, so fallen einem auf Anhieb ein paar wesentliche Unterschiede auf. Zwar kennen beide astrologische Lehren zwölf Sternzeichen, doch kommen diese auf unterschiedliche Weise zustande. Während in der westlichen Astrologie die Sonne im Laufe eines Jahres in einem von zwölf Sternzeichen stehen kann, leiten sich die Tierkreiszeichen im Chinesischen Horoskop vom Mond – oder genauer gesagt: vom Mondjahr – ab. Die Frage lautet demnach nicht, in welchem Sternzeichen man geboren ist, sondern in welchem Mondjahr. Ein solches Mondjahr besteht aus zwölf Monaten, die jeweils genau 30 Tage lang sind – nur jedes zwölfte Jahr zählt dreizehn Monate.

Daher fällt das chinesische Neujahr im Vergleich zu unserem Kalender so gut wie nie mit unserem Neujahrsfest zusammen. Das chinesische Neujahr beginnt in der Regel im Laufe unseres Januars oder Februars: Wer in diesen beiden Monaten geboren ist, kann – von Jahr zu Jahr unterschiedlich – das Tierzeichen des neuen oder des vergangenen Jahres haben.

Der Neujahrstag ist ein hoher Feiertag im chinesischen Kalender: An Bäumen und Torbögen werden Knallkörper angebracht, um böse Geister vom Haus fernzuhalten, und da der Volksglaube besagt, dass alle Erlebnisse dieses Tages für das ganze Jahr bestimmend sind, versuchen die Menschen, nicht zu streiten, wenig zu arbeiten sowie Gläubigern und Gesetzeshütern aus dem Weg zu gehen.

Die Charakterzüge der zwölf Sternzeichen – die man in der chinesischen Astrologie übrigens als „Erdzweige“ bezeichnet – ergeben sich aus den typischen Eigenschaften der namensgebenden Tiere: Die Ratte geht in die Falle, der Büffel rackert sich auf dem Feld ab, der Tiger ist ein majestätischer Jäger, der Hase (Katze) laviert sich geschickt durchs Leben, der Drache speit Funken und Gold, die Schlange ist leise und weise, das Pferd ist stolz, die Ziege hat stets etwas zum Meckern, der Affe ist ein Possenreißer, der Hahn ist ziemlich eitel, der Hund bewacht das Haus und das Schwein ist zwar gutmütig, aber auch etwas naiv.

Die chinesische Astrologie hat in Ost- und Südostasien eine derartige Bedeutung, dass kaum jemand eine wichtige Entscheidung trifft, ohne das Horoskop zu berücksichtigen. Egal, ob private, berufliche, finanzielle oder politische Veränderungen bevorstehen: Alles muss stets im Einklang mit dem Horoskop stehen. Wollen etwa zwei Verliebte heiraten, so werden die Eltern eine Ehe mit allen Mitteln zu verhindern versuchen, wenn die Sternzeichen der beiden eine ungünstige Konstellation darstellen.

Ähnliches gilt auch für die Wahl von Freunden, ja sogar von Mitarbeitern und Geschäftspartnern. Ein anderes Beispiel: Da das Jahr des Feuerpferdes als eher ungünstig für eine Geburt sein soll, ließen viele Frauen 1966 einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen, um bloß kein Feuerpferd zur Welt zu bringen.

Wie die abendländische Astrologie, so wartet auch das Chinesische Horoskop mit erstaunlichen Übereinstimmungen zu realen Gegebenheiten auf. Tatsächlich lässt sich auch hier feststellen, dass Menschen – je nachdem in welchem Jahr sie geboren sind – stark oder schwach, naiv oder hinterlistig, friedlich oder streitbar, bescheiden oder gierig sein können. Natürlich gilt dasselbe, was auch für das westliche Horoskop gilt: Menschen werden einerseits durch ihre Erbanlagen und andererseits durch das soziale Umfeld geprägt. Und dennoch ist der Einfluss der Sternzeichen auf den Charakter anhand zahlloser Beispiele belegbar.

Die Erstellung eines Chinesischen Horoskops ist allerdings nicht so einfach: Dazu bedarf es nicht nur genauer Kenntnisse der zwölf Sternzeichen und ihrer typischen Eigenschaften, sondern auch des Wissens um weitere wesentliche Deutungsfaktoren. So unterscheidet man die fünf Elemente Wasser, Metall, Feuer, Holz und Erde, welche die Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn symbolisieren.

Diese Größen beeinflussen das Schicksal der Menschen ebenso wie die zehn Himmelszeichen, die sich aus dem Mond „Yin“ und der der Sonne „Yang“ sowie aus der jeweiligen und individuellen Sternkonstellation ergeben. Zu guter Letzt werden auch noch so genannte „Doppelwochen“ und „Doppelstunden“ berücksichtigt, die – ähnlich wie der Aszendent in der abendländischen Astrologie – ein sehr genaues Bild über eine Person und seine Situation ergeben.
Die Chinesen haben ihre astrologische Lehre im Laufe von Jahrtausenden wieder und wieder verbessert und bis zum heutigen Tage in einer Weise perfektioniert, dass sie nicht zuletzt mithilfe umfangreicher Nachschlagewerke in der Lage sind, die Eigenschaften des Charakters und die Tendenzen des Schicksals eines Menschen erstaunlich genau zu erkennen. Wer der chinesischen Astrologie skeptisch gegenübersteht, sollte sich einfach einmal ein Horoskop erstellen lassen – und wird vermutlich überrascht sein, wie viel Wahrheit in den Aussagen des Astrologen steckt!