Nach einem schweren Autounfall ließ ein erfolgreicher Unternehmer sein altes Leben hinter sich und wurde zum buddhistischen Mönch Han Shan.
Der 1951 in Hessen geborene Hermann Ricker wanderte als junger Ingenieur nach Asien aus, wo er 1979 ein eigenes Unternehmen gründete. Im Laufe der Jahre wurde aus der kleinen Firma in Singapur ein internationaler Konzern mit Fabriken in Südostasien und den USA. Auf seinen Geschäftsreisen, die ihn rund um den Globus führten, sammelte er nicht nur wertvolle kulturelle und menschliche Erfahrungen, sondern war auch stets um einen fairen und ethischen Umgang mit Mitarbeitern und Geschäftspartnern bemüht. Schon damals stand die Gewinnmaximierung nicht im Vordergrund seiner Unternehmenspolitik.
Im Jahre 1995 kam es dann zu jenem spektakulären Wendepunkt im Leben des erfolgreichen Unternehmers, der sein ganzes weiteres Dasein komplett verändern sollte. Als er in Malaysia einen schweren Autounfall unversehrt überlebte, wurde ihm seine eigene Vergänglichkeit bewusst. Das veranlasste ihn, sein altes Leben völlig hinter sich zu lassen und eine wahrhaft sinnvolle Daseinsform anzustreben. Nachdem er schon länger vom Buddhismus fasziniert gewesen war, überschrieb er seinen Konzern seinen engsten Mitarbeitern und spendete sein gesamtes Vermögen wohltätigen Organisationen, um in Thailand ein Leben als buddhistischer Bettelmönch zu beginnen.
Es gibt nur eine Zeit, die wichtig ist …
In den ersten beiden Jahren seiner zehnjährigen Einführungszeit lebte er allein auf einer unbewohnten Insel in Thailands größtem See und war auf die Almosen der Bevölkerung am Ufer angewiesen, zu dem er jeden Morgen hinruderte. Aus dieser ebenso asketischen wie gefährlichen Lebensweise und einer gezielten Achtsamkeitsmeditation schöpfte er jene Kraft, aus der er das sogenannte „Insight Mind Focusing“ entwickelte, eine Methode, die das tief verankerte menschliche Potenzial freizulegen vermag.
In den weiteren Jahren lebte der Mönch, der fortan den Namen Han Shan tragen sollte, in einem entlegenen Waldtempel, wo er die buddhistischen Traditionen und Zeremonien seiner neuen Heimat Thailand studierte. Gleichzeitig moderierte er eine englischsprachige Radiosendung, in der er den Zuhörern die alltäglichen Aspekte der Lehre Buddhas vermittelte und wertvolle Ratschläge gab.
Im Jahr 2000 erhielt Han Shan von Luang Phor Gong, der als geistiges Oberhaupt die Verantwortung über die Tempel der Provinz Sakhon Nakhon trug, den Auftrag, seine Vision von einem internationalen Tempel zu realisieren. So wurde mit tatkräftiger Unterstützung durch engagierte Helfer über Jahre hinweg das Nava Disa Retreat Center errichtet, eine einzigartige Tempeloase, die als ein Ort der Einkehr für Menschen unterschiedlicher Nationen und Kulturen dienen soll. Vor allem Europäer erfahren dort ungeachtet religiöser Dogmen die Grundwerte der buddhistischen Lehre und lernen, diese als ureigene Kraftquelle zu nützen.
… und diese Zeit ist jetzt!
Angesichts dieses Erfolges wurde Han Shan von Luang Phor Gong animiert, die Herzen der Menschen auch außerhalb des Nava Disa Retreat Center für die ultimative Wahrheit zu öffnen, indem er ihnen seine Weisheit zukommen lässt. 2009 erschien sein erstes Buch „Wer loslässt, hat zwei Hände frei – mein Weg vom Manager zum Mönch“, das zu einem Bestseller wurde.
Es folgten zwei weitere Bücher mit den Titeln „Das Geheimnis des Loslassens – der Schlüssel zu wahrem Glück und innerem Wohlbefinden“ und „Achtsamkeit – die höchste Form des Selbstmanagements“ sowie die zwei DVDs „Chanting und Meditationen“ und „Han Shan und sein Weg der Achtsamkeit“. Auch seine Vorträge und Seminare stießen vor allem bei den Europäern auf großes Interesse und so bereist Master Han Shan zweimal jährlich für mehrere Wochen den deutschen Sprachraum. Astroblick gab der große Denker das folgende Interview:
Master Han Shan, wie schwer war es für Sie, sich nach Ihrem Unfall vom Leben als wohlhabender Geschäftsmann zu trennen und ein bescheidener Bettelmönch zu werden?
Schon zu meiner Zeit als Unternehmer waren meine Geschäfte nicht danach ausgerichtet, wohlhabend zu werden. Es hat mir einfach Spaß gemacht. Die materiellen Besitztümer, die dabei anfielen, waren eher ein Nebenprodukt der geschäftlichen Aktivitäten. Deshalb war es eigentlich gar nicht so schwer, meine materiellen Besitztümer wegzugeben. Zudem war es ja mein großes Bedürfnis, mich freizumachen und alles loszuwerden, was mich auf meinem neu eingeschlagenen Weg belasten könnte. Ich wollte mir damit die bestmögliche Ausgangsposition schaffen, diesen Weg auch gehen zu können. Wie ich dann später auf der Insel feststellte, war es erheblich schwerer, auch mental loszulassen und meine Einstellung zu mir selbst zu ändern. Das Anhaften an meine Gedanken, Vorstellungen, Erinnerungen und die alten eingegrabenen Gewohnheiten hielten mich immer noch gefangen. Es fiel mir schwer, am Anfang auf der Insel die richtige Art der Praktizierung zu erarbeiten, die es ermöglichte, den Geist von den Fesseln meines Verstandes zu befreien.
Sie sind für viele Menschen ein Vorbild. Woran liegt es, dass in unserer modernen Zeit immer mehr Leute die Spiritualität entdecken?
Die Menschen in unserer sogenannten modernen Zeit leben in einem Umfeld, das von rigiden Strukturen, Druck und konstanter Manipulation geprägt ist. Die verschiedenartigen Systemkrisen der letzten Jahre haben auch gezeigt, dass es die vorgestellte Sicherheit und Geborgenheit, die uns das System zur Verfügung stellen soll, eigentlich gar nicht gibt und alles immer an einem seidenen Faden hängt. Nach und nach erkennen mehr und mehr Menschen, dass sich wirkliches, tiefes Wohlbefinden nur in uns selbst freisetzen kann und nicht von der Dynamik eines Systems zu steuern ist. Daher suchen viele den Weg zurück zu ihrem tiefen inneren Selbst, um dort neue Impulse freizulegen, die ihnen helfen, ihr Leben neu auszurichten und Verantwortung für ihr eigenes Wohlbefinden zu übernehmen.
Worauf führen Sie es zurück, dass gerade der Buddhismus so viele Menschen in der westlichen Welt anspricht?
Die Grundelemente der Lehre Buddhas zeigen einen Weg der Lebensführung auf, der es uns ermöglicht, uns zu unserem tiefen inneren Wesenskern, unserer klaren Urenergie, die jedem Menschen zueigen und tief in uns verborgen ist, zurückzufinden. Dort ruhen auch das innere Wohlbefinden und der innere Frieden, nachdem wir uns sehnen. Buddha sagt: „Lern die tiefen Freuden kennen, die dich auf deinem Weg zu dir selbst begleiten.“
Sie schreiben Bestseller, halten Vorträge und leiten das Nava Disa Retreat Center: Sind Sie damit nicht schon wieder ein erfolgreicher Geschäftsmann?
Diese Frage wird mir öfter gestellt. Mir geht es darum, auch anderen Menschen meine Erkenntnisse zur Verfügung zu stellen und Impulse zu geben, ihr eigenes Leben zu überdenken und mit neuen Einsichten zu bereichern, die ein erfüllteres Leben ermöglichen. In gewissem Sinn bin ich dadurch Unternehmer, denn ein Unternehmer unternimmt ja etwas. Würde ich weiterhin in Thailand im Wald leben, könnte ich nur wenige Menschen erreichen. Daher lasse ich mich vom Fluss des Lebens leiten und passe mich den Umständen so an, wie es nötig ist, um möglichst vielen Menschen neue Horizonte eröffnen zu können. Von diesem Blickwinkel aus betrachtet ist jeder Abt eines Tempels, jeder Priester, der Papst und auch der Dalai Lama ein Unternehmer, denn alle unternehmen etwas, um die Menschen zu bewegen, sich für den tieferen Sinn des Lebens zu öffnen.
Was erwartet die Gäste des Nava Disa Retreat Center – und wie weit lässt sich innerhalb weniger Tage oder Wochen das Bewusstsein verändern?
Nava Disa stellt ein optimales Umfeld zur Verfügung, das die Retreat-Teilnehmer unterstützt, ihr tiefes menschliches Potenzial freizulegen. Zudem werden sie mit neuen Werkzeugen ausgerüstet, die helfen, das tägliche Leben mit all seinen Anforderungen und Problemen anders zu meistern, als die Mehrheit es bei uns gewöhnt ist. Die neu gewonnenen Ansätze eröffnen eine „höhere“ Lebensqualität, die sie für eine Lebensausrichtung zu mehr Selbstverantwortung und Menschlichkeit öffnet. So ändern sich zum Beispiel das Verhalten beim Lösen von Problemen, die eigene Kooperationsbereitschaft und das Kommunikationsverhalten, was sich wiederum nachhaltig auf das Leben im Umgang miteinander und auf den Berufsalltag auswirkt. Eine Bewusstseinserweiterung ist ein gradueller Prozess, der sich bei den Einzelnen sehr individuell entfaltet. In Nava Disa wird bei vielen Anfängern ein Saatkorn gesät, aus dem die Bewusstseinsverfeinerung weiter gedeihen kann. Andere wiederum erhalten neue Impulse und realisieren tiefe Erkenntnisse, die sie auf dem eingeschlagenen Weg zu sich selbst unterstützen und vorwärtsschreiten lassen.
Wie würden Sie mit wenigen Worten „energetisches Management“ beschreiben?
Einfach ausgedrückt enthält energetisches Management für mich zwei Komponenten. Die eine bezieht sich auf die Qualität unseres jeweiligen Umfelds, mit dem wir Menschen in stetigem energetischen Austausch stehen – auch, wenn wir es nicht bewusst wahrnehmen können. Daher ist es wichtig, unsere unmittelbare Umgebung wie etwa Wohnungen, Häuser, Fabriken oder Grundstücke energetisch so auszurichten, dass sie unterstützend auf unsere Aktivitäten wirken können. Der zweite Ansatz bezieht sich auf uns selbst. Hier geht es darum, die Achtsamkeit und damit unser Bewusstsein zu stärken, um den stetigen Strom der sich unaufhörlich und blitzartig neu formierenden Energien in uns selbst wahrzunehmen und bestmöglich zu nutzen. In anderen Worten, das Richtige im richtigen Moment zu tun. Die sich unaufhörlich entfaltenden Veränderungen sind in der Grundnatur unseres menschlichen Seins verankert. Alles verändert sich immerzu und zu jeder Zeit unaufhaltsam. Diese universelle Grundeigenschaft der konstanten Veränderungen mit geschärfter Achtsamkeit zu erkennen, heißt, sich in den Fluss der Dinge hineinzubegeben und sich davon tragen zu lassen, statt dagegen anzukämpfen.
Und was muss man sich unter „Insight Mind Focusing“ vorstellen?
Das ist eine Methode der Achtsamkeitsmeditation, die von mir während der Zeit auf der einsamen Insel erarbeitet wurde. Sie richtet die Achtsamkeit auf unsere inneren Vorgänge und basiert auf vier Komponenten der Achtsamkeit, die alle Vorgänge in unserem menschlichen Sein adressieren: den Körper, die Grundstimmung, die Gefühle, die Gedanken und Sinneswahrnehmungen. Diese geschärfte Wahrnehmung unserer inneren Vorgänge hilft, sich nicht immer wieder aufs Neue in eingebürgerte Gedankenabläufe und Verhaltensmuster zu verstricken, sondern eben diese Abläufe zu erkennen und sich davon zu befreien. Dadurch kann unser tieferes menschliches Potenzial zum Vorschein kommen und unser Leben mitbestimmen.
Was ist das Wichtigste, was Sie jemandem raten würden, der ein glückliches und erfülltes Leben führen möchte?
Das Wichtigste ist zu verstehen, dass wirkliche Erfüllung und Glück nicht im Außen zu finden sind, sondern wir die Perle des Glücks in unserem tiefen Inneren schon bei uns tragen. Wir Menschen benehmen uns oftmals so wie jemand, der seinen Hut verlegt hat und angestrengt nach ihm sucht, nicht wissend, dass er ihn schon die ganze Zeit auf dem Kopf trägt. Wenn wir uns durch äußere Umstände nicht immer wieder aufs Neue von unserer eigenen Mitte hinwegziehen lassen, dann setzt sich ein Prozess des Erwachens zu unserem wahren Selbst in Gang, der ein noch nicht erlebtes Wohlbefinden – in Einklang mit uns selbst zu sein – freisetzt. Der Universalschlüssel für die Tür zu sich selbst und damit zu seinem Glück ist die geschärfte Achtsamkeit.
Was müsste Ihrer Ansicht nach geschehen, damit diese Welt ein friedlicherer und harmonischerer Ort wird?
Der Ansatz für ein friedliches und harmonisches Miteinander liegt bei jedem einzelnen Menschen. Solange wir Gefühle wie Wut, Eifersucht, Ärger und Vorurteile bei uns tragen, können diese Emotionen immer wieder von bestimmten Umständen ausgelöst werden und führen zu Feindseligkeiten. Ein Umfeld, das ethische Werte wie universelles Verständnis, Mitgefühl, Mitfreude am Erfolg des anderen und mentale Ausgeglichenheit, welche wir als Menschen auch bei uns haben, unterstützt und nährt, ist von größter Bedeutung. Deshalb wäre es eine wunderbare Aufgabe für jede menschliche Gemeinschaft – angefangen bei Familie über den Freundeskreis bis hin zu Mitarbeitern und unseren weltlichen Staatsformen – ein Umfeld zu kreieren, das jede einzelne Person bestmöglich unterstützt, ihr eigenes Potenzial freizulegen und die eigenen Talente im Einklang mit sich selbst und ihrem natürlichen Umfeld zu leben. Wenn wir Menschen in Frieden und Harmonie mit uns selbst sind, dann können wir auch unsere Umgebung damit bereichern, denn wir sind nur fähig, das zu geben, was wir haben.
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